Wann bin ich erwachsen?

Wann bin ich erwachsen?

"Was einer in sich ist und an sich selber hat, kurz die Persönlichkeit und deren Wert, ist das alleinige Unmittelbare zu seinem Glück und Wohlsein."

Arthur Schopenhauer

Wann bin ich erwachsen?


Vollbart und gespreizte Würde


Am Ende des neunzehnten Jahrhunderts war es für einen jungen Mann, der in Politik und Geschäftswelt seinen Weg machen wollte, ein Unglück, jung auszusehen. Vollbart und gespreizte Würde waren Mittel, um älter zu wirken. Man habe sich lange schwarze Gehröcke zugelegt, einen gemächlichen Gang und womöglich ein leichtes Embonpoint (Bauch), um diese erstrebenswerte Gesetztheit zu verkörpern', so erinnerte sich der Dichter Stefan Zweig jener Welt von Gestern."

Was hier beschrieben wird, war früher nötig, um erwachsen auszusehen. Es ist erstaunlich, daß sich daran fast 100 Jahre später nichts geändert hat. Dies zeigt die Stärke von Vorurteilen. Nur stimmen sie deshalb noch lange nicht. Genauso wenig wie früher sind ein dicker Bauch oder graue Haare ein Gradmesser, um das Erwachsen-Sein anzuzeigen. Lassen Sie uns in diesem Kapitel Abschied von der Kindheit nehmen! Dazu gehören auch solche kindlich naiven Vorstellungen. Wir sind bisher durch den Dschungel der Erziehung gestiegen, haben das "Drama" der Kindheit durchschaut und wollen jetzt den Weg zum Erwachsenen einschlagen.

Das Geheimnis des Lebens



Wenn Sie erwachsen sind, haben Sie das Geheimnis des Lebens entdeckt: "Das Geheimnis ist: es gibt kein Geheimnis. Alles ist genau das, was es zu sein scheint.

Dies hier ist es! Bevor ein Mann erleuchtet wird, steht er jeden Morgen auf, bestellt tagsüber sein Feld, kehrt heim zum Abendbrot, geht zu Bett, liebt seine Frau und schläft ein. Aber wenn er die Erleuchtung erlangt hat, dann steht er jeden Morgen auf, bestellt tagsüber sein Feld, kehrt heim zum Abendbrot, geht zu Bett, liebt seine Frau und schläft ein. Mit den Alltagsaugen schauen, das ist der Zen-Weg, die Wahrheit zu sehen. Nur die herzlose Frage nach dem ‘Leben an sich' verschließt uns gegen das wirkliche Leben.

Der Mensch braucht keine Antwort, um Frieden zu finden. Er muß sich nur seiner Existenz hingeben und aufhören, nutzlose, leere Fragen zustellen. Das Geheimnis der Erleuchtung heißt: iß, wenn du hungrig bist, schlaf, wenn du müde bist.

Der Zen-Meister ermahnt: ‘Begegnest du dem Buddha, so töte ihn.' Diese Mahnung weist darauf hin, daß kein Sinn, der von außerhalb unserer selbst kommt, wirklich ist."

Töten Sie Buddha, leeren Sie Ihren Kopf und überprüfen Sie Ihr Denken. Schreiben Sie Ihre Gedanken auf und gucken Sie sich alles aus der neuen Sicht der Dinge an. Also vorwärts, fangen Sie an, und denken Sie daran:

"Zweifle nicht an dem der dir sagt er hat Angst
aber hab Angst vor dem der dir sagt er kennt
keinen Zweifel"


(Erich Fried)