Abschied von der Kindheit

Abschied von der Kindheit



Ich bin ja nicht erwachsen, wenn ich 18 Jahre auf dieser Welt biologisch ansässig bin. Unsere Gesellschaft gibt uns damit zwar viele Rechte und ast keine Pflichten, aber über mich als Mensch sagt dies nur ganz wenig aus. Alt und grau kann jeder Esel werden, aber zwischen Esel und Mensch gibt es doch einige unbestreitbare Unterschiede. Erinnern wir uns: Die Entwicklung des Menschen ist zunächst einmal abhängig von der frühkindlichen Erziehung. Sie bestimmt, was wir als gut und schlecht empfinden, wie wir uns verhalten und wie wir uns fühlen.

Offenbar wird also Erziehung so praktiziert, daß andere uns sagen, was wir zu tun, zu denken und zu machen haben. Viele Menschen bleiben dabei stehen und glauben, wenn sie 18 Jahre alt geworden sind, wissen sie etwas. Mag sein, nur haben sie sich selbst noch nicht gefunden. Wir haben festgestellt, daß die Erziehung in der Regel dazu dient, uns von uns wegzuziehen und nach den Vorstellungen der Eltern zu trainieren. Dies führt dazu, daß wir unser eigenes Ich, unser Selbst nicht aufbauen können und an dieser Stelle unserer Seele die Leere wie ein verzehrendes Feuer brennt. An dieser Stelle endet der Lebensweg der meisten Menschen. Sie behalten ihre anerzogenen Einstellungen ungeprüft bei, werden älter und ihre Identität haben sie gefunden in ihrer Rolle als Vater, Mutter, Chef, Vorarbeiter oder sonstwas. Aber das hat natürlich Folgen.

Wer sich selbst nie gefunden hat, der kann sich auch nicht selber leiten. Erst wenn ich mich selbst verstanden habe, kann ich mit meinem Selbstverständnis leben. Erst dann sehe ich das (mein) Leben, wie es ist. Sie bemerken sicherlich, worauf ich hinaus will. Wenn das Leben solange an mir vorbeigeht, wie andere mir sagen, wo es langt geht, muß ich selber den Weg zu mir finden. Erst wenn niemand mir mehr sagen kann, wieviel ich wert bin, bin ich frei und ruhe in mir. Erst dann bin ich erwachsen, herausgewachsen aus den Fesseln der Fremdbestimmtheit.

Erwachsen zu sein heißt, den Weg des Lebens, der (oft schmerzlichen) Veränderung zu gehen, zu erkennen, daß mein Weg mit der Unsicherheit gepflastert ist, die dem Leben anhaftet. Zu erkennen, daß es kein Morgen gibt, daß ich nur heute lebe und das Leben Veränderung heißt. Nichts ist von Dauer, niemand steigt zweimal in den gleichen Fluß. Wenn ich dies erkannt habe und mir immer wieder bewußt mache, dann kann ich lernen erwachsen zu werden. Wir haben oft genug über unser Selbst gesprochen. Gehen wir nun vom Selbst in die Gesellschaft, dann stoßen wir auf die Frage nach unserer Identität. Wir alle haben eine Identität, aber was ist das genau?

(c) Michael Mahlke Remscheid - Alle Rechte vorbehalten